Dem Jahresbericht der Financial Intelligence Unit (FIU) ist zu entnehmen, dass im Zeitraum März bis Dezember 2020 im Zusammenhang mit zu Unrecht gezahlter Corona-Soforthilfe durch die Verpflichteten rund 11.200 Verdachtsmeldungen erstattet wurden. Davon hat die FIU rund 9.500 Meldungen als Betrugsversuch identifiziert.
Diese Entwicklung war absehbar, denn die Corona-Soforthilfe konnte für deutsche Verhältnisse kurzfristig und relativ unkompliziert beantragt werden und ist darüber hinaus nicht rückzahlungspflichtig. Insofern durfte man davon ausgehen, dass etablierte Typologien wie die Nutzung von sogenannten Strohmännern auch zur unrechtmäßigen Erlangung von Covid-19 Soforthilfe genutzt werden.
Dass sich der Kreis der Beteiligten, wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist, nicht ausschließlich auf Strohmänner, zuvor schon insolvente oder in Abwicklung befindliche Unternehmen beschränkt, sondern auch Unternehmen einbezieht, die keine pandemiebedingten Verluste zu verzeichnen hatten, ist ebenso wenig überraschend. Anträge kamen auch von Privatpersonen, die kein Gewerbe angemeldet hatten, oder von Sozialhilfeempfängern, die durch Dritte benutzt wurden. Dieses Phänomen gibt es auch im Zusammenhang mit Tätigkeiten als Finanzagent und darf als bekannt vorausgesetzt werden.
Für den FIU Jahresbericht 2021 wird es spannend sein zu sehen, ob dann auch Sachverhalte thematisiert werden, bei denen beispielsweise politisch exponierte Personen (PEP) finanzielle Vorteile aus der Pandemie ziehen wollten − wie die Fälle der CDU-Politiker Niklas Löbel oder Georg Nüßlein, die aus Masken-Geschäften hohe Provisionen bezogen haben sollen.
Bemerkenswert ist auch die Falldarstellung der FIU zur handelsbasierten Geldwäsche („Trade-Based Money Laundering“ – TBML; siehe auch gesonderten Blogartikel dazu) im Kontext von Covid-19. Sie zeigt Verpflichteten anschaulich anhand eines konkreten Beispiels, dass es sich bei den betrügerischen Handlungen nicht nur um Fälle mit Beträgen zwischen 3.000 bis 25.000 Euro handeln muss. Im Zusammenhang mit dem Import von Atemschutzmasken aus Asien hat ein Kreditinstitut eine verdächtige Zahlung über 1,6 Millionen Euro vor der Überweisung in das Ausland angehalten und der FIU gemeldet. Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, dass bei diesem Institut die implementierten Maßnahmen zum Zwecke der Geldwäscheprävention ihre Wirkung scheinbar entfaltet haben.
Nicht in Vergessenheit geraten darf auch, dass zeitweise die Auszahlungen aufgrund einer Vielzahl von falschen Antragsstellungen gestoppt wurden, was zumindest in Nordrhein-Westfalen zu einer höheren Sensibilität im Rahmen der Bewilligung geführt haben dürfte. Wie viele Schadensfälle hier konkret allerdings verhindert wurden, wird nicht mehr zu ermitteln sein. Insgesamt spricht der deutsche Richterbund mittlerweile von mehr als 20.000 Fällen im Zusammenhang mit Soforthilfe-Betrug und anderer Delikte mit Pandemie-Bezug.
Quelle: FAZ
Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl in den kommenden Monaten und Jahren noch weiter ansteigen wird. Auch künftig werden wir mit weiteren spektakulären Fällen und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Covid-19 rechnen müssen. Dies zeigen die Fälle von vermutlichem Abrechnungsbetrug bei Schnelltests, die mittlerweile ein immer größeres Ausmaß annehmen und nach wie vor im Fokus der Ermittlungsbehörden stehen.
Quelle: ZEIT
Auffallend hierbei ist, dass die Ermittlungsbehörden scheinbar erst durch die Medien darauf aufmerksam gemacht wurden, dass die Anzahl der beantragten Erstattungen nicht im Einklang mit den tatsächlich vorgenommenen Schnelltests stand. Hier ist es der Recherchetätigkeit der Medien zu verdanken, dass diese Fälle auch der Allgemeinheit zur Kenntnis gelangt sind.
Es wäre begrüßenswert, wenn die FIU in ihrem Jahresbericht für das Jahr 2021 nicht nur die Anzahl der Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit Covid-19 übermittelt, sondern auch darstellt, wie viele zu Unrecht geflossenen Gelder durch die Ermittlungsbehörden sichergestellt wurden. Damit könnte sie den Verpflichteten das Feedback zukommen lassen, dass ihre Anstrengungen auch von Erfolg gekrönt waren, denn die alleinige Anzahl lässt leider keinerlei Rückschlüsse auf das sichergestellte Volumen zu.