Die Türkei wurde von der Financial Action Task Force (FATF)[1] neben Mali und Jordanien am 21.11.21 auf die so genannte „graue Liste“ gesetzt, weil ihre Maßnahmen im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AML/CFT) als unzureichend bewertet wurden.[2] Bei der grauen Liste handelt es sich um eine globale Aufstellung von Ländern, die ungenügende Schutzmaßnahmen gegen Geldwäsche, Proliferations- und Terrorismusfinanzierung vorweisen.
Warum wurde die Türkei in die graue Liste aufgenommen?
Die Türkei zählt zu den Mitgliedsstaaten der FATF und hat sich damit ebenfalls dem Kampf gegen Finanzkriminalität verpflichtet. Hier hatte das Land nach Ansicht der FATF in der Vergangenheit zwar einige Fortschritte vorzuweisen, aber nach Einschätzung des FATF-Präsidenten Marcus Pleyer bestehen weiterhin zahlreiche Probleme.[3]
Die FATF konkretisierte die Kritik in ihrer Presseerklärung vom 21.10.21. Bemängelt wurde vor allem, dass die Aufsicht des Landes gegenüber Hochrisikosektoren wie Banken, Gold- und Edelsteinhändler sowie Immobilienmakler nicht ausreichend vorgegangen sei. Es wird befürchtet, dass u.a. terroristische Vereinigungen ihre illegal erworbenen Gelder auf dem türkischen Immobilienmarkt einspeisen und von dort aus in andere Bereiche integrieren. Durch die geografische Nähe zu Iran, Irak, Syrien und Libanon und die relativ durchlässigen Grenzen zur Türkei besteht zudem die Sorge, dass die Terrorismusfinanzierung keinen Halt vor den Toren Europas macht.
Ferner reagierte die FATF mit dem „Grey Listing“ auf das nach wie vor harte Vorgehen gegenüber der Zivilbevölkerung. Die konkrete Kritik richtete sich dabei gegen das „Anti-Terror Gesetz“ der Türkei zur „Verhinderung der Verbreitung der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen“. Dessen Regelungen beinhalten – anders als der Titel es vermuten lässt – keine Strafmaßnahmen oder Kontrollmechanismen gegen Geldwäsche oder die Finanzierung von Massenvernichtungswaffen zu terroristischen Zwecken. Stattdessen berechtigen sie den Staatspräsidenten, Gelder und Vermögen von Terror-Beschuldigten einzufrieren.
Letztlich stand auch der Umgang der Türkei mit gemeinnützigen Organisationen im Mittelpunkt der Kritik der FATF. Bereits das Bestehen strafrechtlicher Ermittlungen wegen Terrorismusvorwürfen gegen ein Vorstandsmitglied von Initiativen, Vereinen und Stiftungen berechtigt das Innenministerium und die von der Regierung ernannten Gouverneure, die betroffenen Personen zu suspendieren, die Tätigkeit der jeweiligen Vereinigung lahmzulegen und an ihre Stelle einen Zwangsverwalter einzusetzen.
Welche Konsequenzen resultieren für die Türkei aus der Aufnahme in die graue Liste?
Die Aufnahme der Türkei in die graue Liste der FATF führt dazu, dass sie unter verstärkter Beobachtung steht. Gleichzeitig ist sie verpflichtet:
- mit der FATF zu kooperieren
- einen Aktionsplan[4] auf den Weg zu bringen, der die attestierten Mängel im Bereich Anti-Geldwäsche und Anti-Terrorismus beheben soll
- sich an ihren Aktionsplan zu halten (Umsetzung wird überwacht)
Konkret fordert die FATF, dass die Türkei künftig einen risikobasierten Ansatz bei der Beaufsichtigung von gemeinnützigen Organisationen im Einklang mit den FATF-Standards sicherstellen soll. Legitime Aktivitäten sollen durch die Behörden aber nicht be- oder verhindert werden.[5]
Welche Folgen hat das „Grey Listing“ für Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz (GwG)?
Die FATF legt ihren Mitgliedsstaaten keine unmittelbaren Handlungspflichten gegenüber „grau“ gelisteten Ländern auf. Die Mitglieder werden aber angehalten, in ihren Risikoanalysen den FATF-Informationen Rechnung zu tragen und ggf. weitere Maßnahmen zu ergreifen[6].
Dies hat weitreichende Folgen. Zunächst müssen alle nach § 2 des Geldwäschegesetzes (GwG) Verpflichteten schnellstmöglich auf die Aufnahme der Türkei in die graue Liste reagieren und ihre Risikoanalyse anpassen. Aus den Ergebnissen der Risikoanalyse sind interne Sicherungsmaßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Der konkrete Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen wird von den Verpflichteten selbst bestimmt.
Für Unternehmen, die geschäftliche Beziehungen in die Türkei unterhalten aber auch für Firmen mit Sitz in der Türkei gelten unter Umständen erhöhte Sorgfaltspflichten. Man darf kritisieren, dass es zum jetzigen Zeitpunkt weder seitens des Bundesfinanzministeriums noch seitens der BaFin hierzu klaren Handlungsempfehlungen gibt, obwohl dies nach GWG durchaus zulässig wäre (§ 15 Abs. 8). Allerdings leiten sich die verstärkten Sorgfaltspflichten bereits aus dem § 15 Abs. 2 GWG ab.
Welche Auswirkungen ergeben sich für das Korrespondenzbankengeschäft?
Durch die Aufnahme der Türkei in die graue Liste kann die Beziehung der Türkei zu ausländischen Banken und Investoren belastet werden. Staaten, die geschäftliche Beziehungen mit der Türkei unterhalten, müssen möglicherweise deutlich häufiger Due Diligence-Prüfungen durchführen und dabei die Risiken der Zusammenarbeit mit türkischen Banken berücksichtigen.
Das deutsche Geldwäschegesetz definiert für Korrespondenzbankbeziehungen einen Katalog obligatorischer Sorgfaltspflichten, die sich stets aus allgemeinen Sorgfaltspflichten und unter definierten Voraussetzungen zusätzlich verstärkten Sorgfaltspflichten zusammensetzen.
Das „Grey Listing“ der Türkei könnte also auch Enhanced Due Diligence-Prüfungen nach sich ziehen. Verpflichtete nach dem GwG sollten prüfen, ob Lieferketten durch die Türkei oder ein anderes „grau“ gelistetes Land führen. Die Prüfung von türkischen Regierungsbeamten oder staatlichen Unternehmen gegen Sanktionslisten ist beispielsweise auch eine Möglichkeit der Enhanced Due Diligence-Prüfung.
Welche Effekte hat die graue Liste für Lieferkettenbeziehungen?
Ab 2023 werden deutsche Unternehmen verpflichtet, entlang ihrer Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie die Verletzung geschützter Rechtspositionen zu identifizieren und zu beseitigen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das als Lieferkettengesetz bekannt ist, schreibt dies unter bestimmten Voraussetzungen vor. Auch hier ist dann bei der Durchführung einer Risikoanalyse der Umstand zu berücksichtigen, dass ein Land auf der grauen Liste steht. Ausgehend von einem risikobasierten Ansatz müssen Unternehmen entscheiden, wie weit sie ihre Sorgfaltsprüfung nach unten in der Lieferkette ausdehnen wollen. Hierbei stellt sich auch die Frage, inwieweit dem unmittelbaren Vertragspartner Sorgfaltspflichten auferlegt werden können, die weiteren Unternehmen in der Lieferkette zu überprüfen. „Für Unternehmen auf internationalem Terrain sind die regulatorischen Erwartungen relativ klar. Die Notwendigkeit und Voraussetzungen eines effektiven Geschäftspartner-Managements sind beispielsweise im Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) und dem UK Bribery Act (UKBA) umfassend dargelegt.[7]“
Welche wirtschaftlichen Folgen drohen durch die FATF-Einstufung?
Die türkische Lira befindet sich auf Talfahrt und die Inflation liegt bei knapp 20 Prozent. Ausländische Investitionen in der Türkei sind rückläufig. Die Aufnahme in die graue Liste kann für die ohnehin angeschlagene Wirtschaft der Türkei verheerende Folgen nach sich ziehen, da sie voraussichtlich eine zusätzliche abschreckende Wirkung auf ausländische Investitionen und Handelsströme haben wird.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in einer Studie[8] bestätigt, dass eine Aufnahme in die graue Liste der FATF einen großen und signifikanten negativen Effekt auf die Kapitalzuflüsse eines gelisteten Landes habe: Die eingehenden Kapitalströme – sowohl Auslandsinvestitionen als auch Banküberweisungen – sanken durchschnittlich um 7,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Damit einhergehend wird sich höchstwahrscheinlich auch der Trend zu den für viele Türken attraktiven Kryptowährungen noch verstärken, um dem weiteren Verfall der eigenen Währung zu entkommen.
Fazit
Die Aufnahme eines Staates in die graue Liste wird von Experten oft als erster Schritt zu strengeren Sanktionen gesehen. Im Falle der Türkei erzeugt das das Grey Listing möglicherweise auch Druck auf die EU, die Türkei in die eigene Geldwäscheliste aufzunehmen.[9] Transparency International vermutet, dass die Türkei in einem weiteren Schritt mit Sanktionen der Weltbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie Schwierigkeiten bei der Sicherung von Krediten konfrontiert werden könnte.
Unternehmen, die mit türkischen Geschäftspartnern handeln, unterliegen nun besonderen Sorgfaltspflichten. Verpflichtete nach dem GwG sollten ihre Risikobewertungen für alle Länder mit der grauen Liste der FATF abgleichen und ihre Risikoanalyse anpassen. Anderenfalls kann dies zu Verstößen gegen das GwG führen.
Die graue Liste der FATF hat negative Auswirkungen für das gelistete Land. Sie kann aber auch als Ansporn betrachtet werden, Reformen auf den Weg zu bringen, um bestehende Mängel im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu beheben und wieder Kapitalflüsse ins Land zu generieren.
[1] Die FATF ist die weltweit führende Organisation zur Geldwäschebekämpfung. Sie entwickelt Leitlinien, setzt Standards und gibt Empfehlungen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation). Über 200 Staaten – darunter auch die Türkei – und Jurisdiktionen haben sich zur Einhaltung der FATF-Standards verpflichtet. Die Umsetzung der Maßnahmen durch die Mitgliedsstaaten wird regelmäßig von der FATF überprüft.
[2] Die Türkei wurde bereits zuvor im Jahr 2011 in diese Liste aufgenommen und 2014 wieder entfernt.
[3] https://anfdeutsch.com/aktuelles/turkei-auf-grauer-liste-fur-finanzstraftaten-28920
[4] Mittlerweile hat die Türkei einen Aktionsplan aufgesetzt. Dessen Inhalt kann hier nachgelesen werden: www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-october-2021.html
[5] www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-october-2021.html
[6] www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-october-2021.html
[7] www.catuslaw.com/wp-content/uploads/2021/10/Trossbach_CCZ-Geschaeftspartner-Compliance.pdf
[8] www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2021/05/27/The-Impact-of-Gray-Listing-on-Capital-Flows-An-Analysis-Using-Machine-Learning-50289
[9] www.mena-watch.com/tuerkei-koennte-auf-graue-liste-fuer-korruption-und-geldwaesche-kommen/