Am 25. August 2022 hat die Financial Action Task Force (FATF) den Abschlussbericht („Mutual Evaluation Report (MER)“) über die Prüfung Deutschlands veröffentlicht. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Deutschland in den letzten fünf Jahren beachtliche Reformen durchgeführt hat, um Geldwäscheaktivitäten bzw. Terrorismusfinanzierung besser zu erkennen und zu bekämpfen. Diese Reformen tragen Früchte. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um die Effektivität der Präventionsmaßnahmen zu optimieren.
Mangelhafte innerstaatliche Behördenkoordination und Nutzung von Financial Intelligence
Die Probleme sind nicht neu, sondern lange bekannt und werden seit vielen Jahren behördenübergreifend diskutiert. Dazu zählt auch die innerstaatliche Koordination zwischen den Strafverfolgungsbehörden der einzelnen Bundesländer. Während die jeweiligen Landeskriminalämter in der Vergangenheit aufgrund fehlender Informationsflüsse teilweise unabgestimmt parallel ermittelt haben, hat sich durch die Schaffung der zentralen Meldestelle die Effektivität in den letzten Jahren bereits verbessert. Die FATF hat im Rahmen ihrer Prüfungen hier aber Optimierungspotenzial wahrgenommen. Sie erwartet eine proaktive Risikoprävention und eine verbesserte Verfügbarkeit und Nutzung von Finanzinformationen durch die FIU. Dazu gehören beispielsweise der Zugang zu Massendaten und Analyseinstrumenten, um die Wirksamkeit und Effizienz der FIU-Analysen zu erhöhen und eine intensivere Koordination und Zusammenarbeit zwischen FIU und Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen. Diese Hinweise gilt es zu analysieren, nicht am grünen Tisch, sondern in Zusammenarbeit mit Fachleuten und Praktikern. Danach sollte die Umsetzung kurzfristig realisiert werden, idealerweise unter Einbindung der nun geplanten neuen Bundesbehörde für Geldwäschebekämpfung.
Bargeldintensität Deutschlands als Risiko
Generell hat die FATF die Bargeldintensität und die nicht lizensierten Geldtransferdienstleister als besonderes Risiko adressiert. Dass Deutschland als bargeldintensives Land gilt und die organisierte Kriminalität dieses in der Vergangenheit zum Platzieren von inkriminierten Geldern genutzt hat, ist keine neue Erkenntnis. Die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die europäische Zinspolitik, hat in den letzten Jahren zu einer Flucht in Sachwerte geführt. Beispielhaft sei der Immobiliensektor genannt. Einer der Hauptkritikpunkte der FATF ist, dass Immobiliengeschäfte in Deutschland nach wie vor bar abgewickelt werden können. Für die Kreditwirtschaft hat dies zur Folge, dass ein noch stärkerer Fokus auf Bartransaktionen gelegt werden muss als in der Vergangenheit. Durch den Kostendruck und die sinkenden Margen sind die Institute allerdings dazu übergegangen, ihre Services im Zusammenhang mit Bartransaktionen vermehrt über Automaten abzuwickeln. Sicherlich hat die Regelung des Herkunftsnachweises für Bareinzahlungen über 10.000 Euro zu einer Sensibilität bei den Verpflichteten geführt. Allerdings hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihrem Journal von August 2021 kommuniziert, dass die Institute die Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsbeziehung berücksichtigen können, um so zu einer risikoorientierten sowie praxisgerechten Verfahrensweise zu gelangen. Dieses lässt naturgemäß jede Menge Gestaltungs- und Interpretationsspielraum für die Kreditwirtschaft offen. Es lässt den Verpflichteten den Spielraum offen, von welchem Kunden und in welcher Form der Herkunftsnachweis erbracht werden muss. Dass solche Problemfelder auch anders adressiert werden können, haben Länder wie beispielsweise Spanien mit einer Obergrenze von 2.500 Euro bzw. Italien mit einem Höchstbetrag von 1.000 Euro schon umgesetzt. Bareinzahlungen oberhalb dieses Betrages werden grundsätzlich abgelehnt.
Problemfeld „Money Value Transfer Services“
Ein besonderes Problemfeld stellen die informellen „Money Value Transfer Services“ (siehe auch MVTS im #AML Glossar) dar. Während die registrierten und etablierten MVTS-Anbieter auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften achten und durch die "Financial Intelligence Unit (FIU)“ für auffällige Sachverhalte bzw. Indikatoren sensibilisiert werden, stehen die informellen MVTS im Fokus der FATF. Fälle wie die Großrazzia des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) am 12. November 2019, bei der im Großraum Duisburg in einem Juwelierladen große Mengen Bargeld und Goldbarren sichergestellt wurden, sind scheinbar nur die Spitze des Eisbergs. Insgesamt wurden mehr als 200 Millionen Euro ohne jegliche Namens- und Sanktionsprüfung in das Ausland geschleust. Damit adressiert die FATF eines der Hauptprobleme Deutschlands, die Prävention und Kontrolle der sogenannten „Designated Non-Financial Businesses and Professions“ (siehe auch DNFBPs im #AML Glossar) (Empfehlungen 18 und 23 der FATF). Das Ergebnis der Prüfung dieses Kreises der Verpflichteten war einer der Hauptkritikpunkte. Es wurde Deutschland bescheinigt, dass erhebliche Anstrengungen zeitnah notwendig sind, um den Anforderungen der FATF gerecht zu werden.
Deutschland befindet sich mit dieser Feststellung in „bester“ Gesellschaft, denn Ländern wie Großbritannien, Schweiz oder den Vereinigten Staaten von Amerika wurde der gleiche Defizitlevel bescheinigt. Selbst die am Tage der Veröffentlichung des deutschen Reports noch hochgelobten Niederlande stehen vor der gleichen Herausforderung. Hier dürfte ein erster sinnvoller Schritt die Zentralisierung der über 300 Aufsichtsbehörden in Deutschland für diesen Bereich sein. Damit einhergehend sollten einheitliche Standards und sachgerechte, risikoorientierte Prüfungen − ähnlich denen, die aus der Bankenlandschaft bekannt sind − etabliert werden. Hier wäre auch eine Abstimmung mit den zuvor genannten Ländern sinnvoll, um Synergieeffekte zu erzielen und Ziele und Maßnahmen gemeinsam, idealerweise in Abstimmung mit der FATF, zu definieren.
Vermögensabschöpfung effektiv umsetzen
Adressiert wurde ebenfalls die Thematik der Vermögensabschöpfung. Ziel ist es, die illegal erworbenen Vermögenswerte den Tätern zu entziehen. Hier werden Deutschland massive Fortschritte bescheinigt. Bis Deutschland in diesem Bereich aber an die Effektivität anderer Länder heranreicht, ist noch ein langer Weg zu gehen. Während in Deutschland nach wie vor die Beweislast beim Staat liegt, haben andere Länder längst vorgemacht, wie eine Vermögensabschöpfung effektiv umgesetzt werden kann. Auch wenn es in Deutschland erste Ansätze gibt, das System der Beweislastumkehr abzuschaffen, wird abzuwarten sein, inwieweit solche Fälle durch die Gerichte positiv beschieden werden.
In Italien muss ein Beschuldigter nachweisen, dass er nicht in illegale Geschäfte verwickelt ist. Dort kann eine Villa eingezogen werden, sofern der Besitzer nicht nachweisen kann, dass sie mit legalen Geldern gekauft wurde. Ähnliches gilt für Großbritannien. Britische Gerichte können Verdächtige dazu zwingen, die Herkunft der Vermögenswerte offenzulegen. Sie haben die Möglichkeit, Vermögenswerte so lange einzuziehen, bis der wirtschaftlich Berechtigte erklärt, woher die Gelder stammen.
Probleme der FIU
Erhebliche Kritik gibt es an der Effektivität der FIU, der beim Zoll angesiedelten Anti-Geldwäsche-Einheit. Diese kommt ebenfalls nicht überraschend, da die Medien in den vergangenen Jahren bereits mehrfach und nachdrücklich darauf hingewiesen haben, dass es offensichtlich Probleme bei der Bearbeitung bzw. Nachverfolgung von Fällen gibt. Sachverhalte wie die liegengebliebenen Verdachtsmeldungen im Wirecard-Skandal, die Durchsuchung der Räumlichkeiten der FIU aufgrund von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück sowie die Vielzahl der allgemein unbearbeiteten Fälle bei der FIU in der Vergangenheit wurden nicht explizit thematisiert. Sie führen allerdings zu einer negativen Wahrnehmung bei der Bevölkerung, den Verpflichteten und letzten Endes auch bei der FATF. Der FIU zugutehalten muss man bei aller Schelte aber auch ihre Abhängigkeit von den Informationen, die ihr durch die Meldenden zur Verfügung gestellt werden, und deren Qualität. Sofern die FIU Verdachtsmeldungen erreichen, die unvollständig sind bzw. nicht korrekte Daten enthalten, sind den Möglichkeiten der FIU – auch bezogen auf die internationale Zusammenarbeit - Grenzen gesetzt. Welche Auswirkungen mangelhafte Datenqualität auf die Compliance haben kann, kann im #rethinkcompliance Blog nochmal nachgelesen werden.
Herausforderungen
Dass Deutschland gewillt ist, die Anforderungen der FATF zu erfüllen, zeigt der durch Finanzminister Christian Lindner angekündigte Paradigmenwechsel in der Bekämpfung der Geldwäsche, u.a. durch die Schaffung einer neuen Bundesbehörde. Diese allein wird jedoch die bestehenden Probleme nicht lösen. Es erfordert enorme Anstrengungen und eine Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Behörden und Bereichen, um die Arbeit effektiv zu gestalten. Dieses gilt nicht nur für den Finanzsektor, sondern auch in ganz besonderem Maße für den Nichtfinanzsektor und die oben bereits genannten DNFBPs.
Deutschland muss innerhalb eines Jahres die FATF über die ergriffenen Maßnahmen und Fortschritte unterrichten. Daher bleibt keine Zeit, den Dingen zu harren, die da kommen. Auf die BaFin, die weiteren Verpflichteten sowie den Finanzsektor kommen große Herausforderungen zu, um den Erwartungen der FATF auch nur ansatzweise gerecht zu werden.